Gestern – oder heute, kommt auf die Zeitzone an – wurde das sehnlichst erwartete Shopsystem Magento 2.0 auf der MagentoLive Australia 2015 vorgestellt. Das General Release ist nun verfügbar und jeder kann mit eigenen Magento 2.0 Projekten im E-Commerce starten. Magento 2.0 ist mehr als ein weiteres Release. Es ist eine gänzlich neue E-Commerce-Software, die die Ansprüche der 1.X, das gleichzeitig flexibelste, leistungsfähigste und skalierbarste Shopsystem auf dem Markt zu sein, auf eine ganz neue Ebene hebt. Wir wurden von Magento Commerce eingeladen, exklusiv von diesem Event zu berichten und unser erstes Magento 2.0 Projekt, einen Fanshop für SEAT Deutschland, vorzustellen.
Hintergründe – Arbeit mit Magento 2
Als einziger Magento 2.0 Beta Partner in Deutschland hatten wir früh die Möglichkeit, praktisch mit der neuen Software zu arbeiten. Im August konnten wir mit der Umsetzung eines B2C-Shops für SEAT auf Basis der Magento Enterprise 2.0 starten. Wir waren mitten in der Merchant Beta, und naturgemäß läuft in dieser Phase noch nicht alles rund. Es gibt allerdings keine grundsätzlichen Probleme bei Magento 2.0. Sowohl SEAT als auch wir waren mit den Ergebnissen vollauf zufrieden. Zur Projekteinschätzung, Pros und Cons später noch etwas mehr.
Die entscheidende Neuerung
Der bedeutendste Unterschied zu Magento 1.x – aber auch anderen Shopsystemen – ist nicht bei den Features oder den verwendeten Technologien zu finden. Das Highlight von Magento 2.0 ist das innovative Softwarekonzept. Mit seiner mehrschichtigen Architektur (Multilayered Architecture), der klaren Trennung von Präsentationsschicht und Geschäftslogik, der Einführung von Dependency Injections sowie der Trennung zwischen Core und Modulen liefert Magento 2.0 die ideale Basis für alle E-Commerce-Projekte – insbesondere, wenn sie sehr komplex sind.
Wie profitieren Shopbetreiber von Magento 2.0 ?
Um es kurz zu machen: Gegenüber Magento 1 Shops steigert Magento 2.0 nochmals die Skalierbarkeit, Flexibilität, Upgradefähigkeit, Stabilität und Performance eines Shops.
- Performance:
Die HTML-Anfragen und abhängigen Prozesse lassen sich besser auf die Systemressourcen verteilen. Der Ressourcenbedarf für den reibungslosen Shopbetrieb sinkt, gleichzeitig wird die Bereitstellung von Ressourcen einfacher. So lassen sich etwa Zugriffe auf Produkt- und Bestelldaten splitten und über unterschiedliche Datenbanken realisieren. Hinzu kommen eine optimierte Indexierung und ein besseres Caching. Damit soll die Performance eines Magento 2 Shops gegenüber einem – in Qualität und Funktionstiefe – vergleichbaren Magento Enterprise 1.14 Shops z. B. um 114 Prozent bei der Bestellverarbeitung steigen. Solche Benchmarks sind immer unter Vorbehalt zu sehen. Der SEAT Shop zeigt aber, dass Magento 2.0 beim Seitenaufbau und der Warenkorbverarbeitung nur so dahinrast.
- Skalierbarkeit:
Durch den modernen Technologie-Stack (s.o.) kann Magento 2.0 problemlos mit allen Anforderungen bei Traffic, Bestellungen, Produktkatalogen mitwachsen. Aufgrund der neuen Architektur wird zudem die Anbindung weiterer Server als Frontend-Ausgabeserver oder die Auslagerung von Operationen auf andere Server wesentlich vereinfacht. Auch die Anbindung mehrerer Datenbankserver, entweder als Cluster oder zur Aufteilung von Entitäten stellt kein Problem dar. Die Skalierungsfähigkeit von Magento 2.0 ist damit enorm. Wenn überhaupt eine Shopsoftware das Label „vollskalierbar“ verdient, dann Magento 2.0.
- Flexibilität:
Durch die klare Modularisierung – hierbei spielt auch das Prinzip der Dependency Injection eine wichtige Rolle – werden sich Magento 2 Shops prinzipiell viel einfacher an Kundenbedürfnisse anpassen lassen. Die jeweils nötigen Funktionen werden über die Module bereitgestellt, ohne dass die Kernfunktionen von Magento betroffen sind. Das vermeidet Konflikte, und Module lassen sich komfortabel austauschen oder Funktionen ergänzen. Hinzu kommt, dass so auch Upgrades und Patches schneller durchgeführt werden können. Die Sicherheit steigt, ohne dass die Kosten dafür ebenfalls steigen.
- Auch das Testen der Software wird einfacher, wobei Magento 2.0 zusätzlich ein breites Funktionsspektrum zur Testautomatisierung mitbringt. Das steigert die Codequalität und verkürzt Entwicklungszeiten. Außerdem treten weniger Konflikte auf, wodurch sich die Stabilität der Plattform verbessert.
Work in Progress
So lange die Vorteile überwiegen, kann man auch ein paar kleine Nachteile in Kauf nehmen. Auch bei Magento 2. Zum einen wird es Zeit brauchen, sich auf den Paradigmenwechsel einzustellen. Zeit, die vielen Agenturen im Tagesgeschäft kaum bleibt. Wir können dennoch allen nur raten, sich möglichst früh intensiv mit Magento 2.0 zu beschäftigen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Zum anderen gab es das ein oder andere Rätselraten bei der Merchant Beta. Etwa warum das ansonsten so durchdachte Fallback-Prinzip an einer bestimmten Stelle nicht greift oder sich „konfigurierbare Produkte“ nicht wie gewohnt aus „einfachen Produkten“ zusammenstellen lassen. Zumindest im Falle der konfigurierbaren Produkte ist das Problem aber bereits behoben.
Von 1 auf 2 umstellen?
Bei all diesen Vorteilen müsste man doch schon heute auf Magento 2.0 umsteigen? Nein, niemand muss, und eine vorschnelle Entscheidung kostet nur unnötig Geld und Ressourcen. Zum einen wird die 1.x noch drei Jahre unterstützt, man hat also noch Zeit sich genau zu überlegen, wann der beste Moment zur Migration auf oder zum Start mit Magento 2.0 ist. Zum anderen ist Magento 1.x bereits ein sehr stabiles und technologisch reifes System.
Aufwand und Funktionsumfang
Nach unseren bisherigen Erfahrungen kann eine Migration von einer Magento 1.x Version auf das neue Shopsystem Magento 2 abhängig von der Ausgangssituation aufwendiger sein als ein normales Upgrade. Das war aber zu erwarten, da es größere strukturelle Unterschiede zwischen Magento 2.0 und den Versionen 1.x gibt. Magento 2.0 ist eben eine gänzlich neue Software, die in einigen Bereichen anderen Entwicklungsansätzen folgt. Magento selbst schätzt den durchschnittlichen Mehraufwand daher auf 20 Prozent. Ein Wert, der natürlich mit dem Grad des Customizings und der Qualität der Entwicklung schwankt. Allerdings unterstützt Magento die Übernahme alter Datenbankinhalte mit einem Data Migration Tool. Zu bedenken ist aber, dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr wenige Extensions gibt, die bereits für Magento 2.0 neu aufgesetzt wurden.
Zukunftsfähigkeit – ein Wert an sich
Andererseits gibt es neben SEAT noch weitere Magento 2 Launchs und all diese Kunden hatten einen bestimmten Grund, schon früh auf Magento 2.0 umzusteigen. Magento 2.0 bietet neben den genannten Vorteilen eben garantierte Zukunftsfähigkeit. Heute mit Magento 2 zu starten, macht also für diejenigen absolut Sinn, die eine langfristige Investitionsperspektive haben und bereits jetzt die technologische Basis für eine umfassende E-Commerce-Strategie schaffen wollen.
Eine vollumfängliche E-Commerce Suite lässt sich mit Magento 2.0 zwar zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht realisieren. Ein Blick in den Developer Branch auf GitHub zeigt aber, dass das Funktionsspektrum rasend schnell ausgebaut wird.
Deswegen kommt es aktuell immer auf den Einzelfall an: Einigen unserer Kunden raten wir daher zum Umstieg anderen zum Abwarten.
Omnichannel und komplexe Anforderungen
– das Spielfeld von Magento 2.0
Das größte Potenzial entfaltet Magento 2.0 unserer Ansicht nach in wirklich komplexen E-Commerce-Projekten und Omnichannel-Szenarien. Bei der Vielzahl an Prozessen und Systemen, die effektiv ineinandergreifen müssen, braucht es die Leistung und Modularität von Magento am dringendsten. Hinzu kommt die strategische Neuausrichtung von Magento Commerce unter dem Investor Permira. Omnichannel-Unterstützung ist nicht mehr nur ein frommer Wunsch des Marketings, sondern Realität: Magento hat neue Softwarelösungen für ein kanalübergreifendes Ordermanagement und den Customer Service am POS im Portfolio. In Verbindung mit einer leistungsfähigen Magento-Plattform bildet dies die zentralen Bausteine für einen umfassenden Handel, der die Bezeichnung Omnichannel-Commerce wirklich verdient hat.
Magento Enterprise 2.0
Das zuvor Gesagte gilt für beide Versionen, die Community wie die Enterprise Edition gleichermaßen. Für uns als eingefleischte Fans der Enterprise Edition ist das dann auch ein kleiner Wermutstropfen. Beide Versionen unterscheiden sich aktuell nur unwesentlich. Die neue Community verfügt über all das gute Zeug aus der Enterprise, die neue Enterprise Edition aber noch nicht über massive Vorteile gegenüber der Community Edition. Wir wissen aber jetzt schon, dass sich das mit den kommenden Upgrades ändern wird. Bleiben Sie also dran.