Heute gibt es im Regalsprecher ein Interview mit Tim Arlt u.a. zum Thema Crossborder Handel. Tim Arlt ist Vorstand Marketing & Vertrieb beim Händlerbund, dem größten Interessenverband im europäischen Onlinehandel. Wer den Händlerbund noch nicht kennt, sollte sich hier mal umschauen.
Das Interview ist zusammen mit einer Vielzahl weiterer Fachartikel und Meinungen ursprünglich in den „Zukunftsthemen im E-Commerce 2017“ erschienen. Auch da lohnt sich ein Blick hinein.
Wie sind die Aussichten für den Online-Handel im Jahr 2017?
Der Online-Handel wächst seit mehreren Jahren im zweistelligen Prozentbereich. Die Statista-Prognose sagt für das Jahr 2017 einen Umsatz von 73 Milliarden Euro im deutschen Online-Handel voraus. Das bedeutet nicht, dass die Umsätze im Online-Handel von ganz allein kommen – sich in der Branche zu behaupten, ist harte Arbeit. Das Tempo der Digitalisierung und Globalisierung erfordert ständige Anpassungsfähigkeit. Wir gehen davon aus, dass vor allem Omni-Channel-Strategien für kleine und mittlere Online-Händler wichtiger werden. Im digitalen Zeitalter sprechen wir von einer Transformation der klassischen Konzepte zu neuen digitalen Lösungen.
Der Einzelhandel und der Online-Handel schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sollten in Zukunft sinnvoll miteinander verknüpft werden, so dass am Ende der Kunde davon profitiert. Ein Beispiel für die Umsetzung solcher digitalen Ideen könnte das neue Locafox POS sein. Das All-in-one-Kassensystem kombiniert Kasse, Warenwirtschaft, elektronisches Kassenbuch und Online-Schaufenster in einem handlichen Tablet.
Welchen Stellenwert hat das Thema Internationalisierung und Crossborder Handel?
Der Erfolg des Online-Handels endet natürlich nicht an den Ländergrenzen. In ganz Europa, wo Deutschland neben Frankreich und Großbritannien zu den Spitzenreitern in Sachen E-Commerce zählt, liegt der grenzüberschreitende Online-Handel im Trend. Schließlich lassen sich in kurzer Zeit neue Zielgruppen erschließen und die Reichweite vergrößern. Natürlich ist dieser florierende Markt ein hart umkämpftes Terrain. Das spüren wir vor allem an der wachsenden Zahl von Abmahnungen, die teilweise nur dazu dienen, Konkurrenten das Geschäft zu vermiesen und Gebühren zu generieren.
Wie schützt man sich hier vor Abmahnungen?
Die Initiative FairCommerce setzt sich für fairen Wettbewerb und gegen Abmahnmissbrauch ein. Um die Professionalisierung der Online-Händler im internationalen Handel zu unterstützen, hat der europäische Dachverband Ecommerce Europe zusammen mit dem Händlerbund das Gütesiegel Ecommerce Europe Trustmark entworfen. Es steht für Sicherheit und Qualität im Online-Handel und bietet Online-Händlern die Möglichkeit, sich nach außen als professioneller und seriöser Anbieter zu präsentieren. Für den Crossborder Handel sind dies wichtige Kriterien.
Welchen Herausforderungen sehen sich Onlinehändler beim Eintritt in fremde Märkte gegenüber?
Neue Märkte außerhalb Deutschlands unterscheiden sich nicht nur in ihren gesetzlichen Grundlagen, den Steuerbestimmungen und Geschäftsformen. Auch die Sprache kann eine Hürde sein, ebenso wie abweichende Zahlarten. Im Fernabsatzgeschäft ist das Gefühl von Sicherheit das oberste Ziel, um das Vertrauen des Kunden in den eigenen Online-Shop zu wecken. Ohne den persönlichen Kontakt und das Verkaufsgespräch ist das Risiko groß, dass Kunden den Kauf abbrechen und zu einem Konkurrenten wechseln.
Was wäre die Lösung?
Wer als Händler seinen Online-Shop rechtssicher gestaltet und dies auch in Form eines Gütesiegels sichtbar macht, wirkt dem entgegen. Der Shop kann von spezialisierten Juristen geprüft und dann zertifiziert werden. Wer ein Gütesiegel gut sichtbar auf seiner Startseite platziert, strahlt automatisch Seriosität aus. Laut der aktuellen Bitkom-Studie vertrauen mehr als zwei Drittel der Verbraucher auf Kundenbewertungen, um die Qualität eines Online-Shops zu beurteilen. Die Kombination aus Shop-Gütesiegel und Kundenbewertungen schaffen einen positiven ersten Eindruck und zeugen von Professionalität. Wenn die Grundvoraussetzungen geschaffen sind, der Online-Shop steht und alle Produkte eingepflegt sind, kann der Verkauf starten.
Was sind die Erfolgsgeheimnisse für den Erfolg im Online-Handel?
Grundsätzlich gibt es im Online-Sortiment nichts, was es nicht gibt. Das macht die Branche sehr spannend und dynamisch. Als Bestseller im Online-Handel gelten noch immer die klassischen Segmente aus den Bereichen Textilien und Elektronik. Im Verlauf der letzten Monate haben auch Möbel, Tierbedarf und Lebensmittel sehr stark an Beliebtheit gewonnen. Verbraucher sind mittlerweile daran gewöhnt, auch Artikel des täglichen Bedarfs online zu bestellen. Günstige Lieferbedingungen, bei denen vor allem große Online-Shops die Messlatte immer höher setzen, begünstigen den Trend. Letztlich ist davon auszugehen, dass bei der großen Konkurrenz durch die Vielzahl von Online-Shops nicht das Sortiment und der Preis entscheidend, sondern Faktoren wie Versandbedingungen, Usability und vor allem guter Service. Kunden sind anspruchsvoller geworden und lieben es, wenn Bestellungen und Retouren bequem und schnell ablaufen.
Wie kann man als Online-Händler auf dem Markt mithalten?
Die Überlebensstrategie auf dem hart umkämpften Markt muss nicht immer das Nischenprodukt sein, auch Storytelling und hervorragender Kundenservice können zu Alleinstellungsmerkmalen werden. Kunden sind durch die digitale Welt anspruchsvoller und erwarten Betreuung, persönliche Beratung und Echtzeit-Support. Was die großen Marken vorleben, können auch kleinere Händler mit der Hilfe von Dienstleistungspartnern umsetzen. Umfragen zeigen, dass 60 Prozent der Kunden im Online-Shop die persönliche Beratung vermissen. Fast alle nennen das Telefon oder die E-Mail als wichtigstes Kommunikationsmittel, auch Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Facebook sind auf dem Vormarsch. Nach Aussagen der befragten Online-Händler vereinnahmt der Kundenservice etwa zwei Drittel der gesamten Arbeitszeit. Diese Aufgabe abzugeben, lohnt sich also doppelt, weil sich dadurch die Qualität und Produktivität eines Online-Shops steigern lassen.
Worauf sollten Online-Händler bei der Wahl des Dienstleisters achten?
Auf der Suche nach einem Kundenserviceanbieter sollten Händler in jedem Fall auf die Qualität und technische Umsetzbarkeit achten. Ein guter Büroservice zeichnet sich dadurch aus, dass geschulte Telefonisten nach einer kurzen Einarbeitungsphase auch Bestellungen annehmen und Kundenfragen beantworten. Der Einsatz von professionellen Kundenberatern wirkt sich zudem verkaufsfördernd aus. Cross- und Upselling-Potenziale können im persönlichen Kontakt viel besser genutzt werden. In Krisenfällen sind professionelle Kundenberater gelassener, so dass es in kritischen Situationen nicht zu Eskalationen kommt. Je nach Bedarf sollte die Kommunikation über verschiedene Kanäle (Telefon, E-Mail, Chat) und in mehreren Sprachen möglich sein. Sinnvoll ist es, ein individuelles Abrechnungssystem pro Minute zu wählen und ein detailliertes Reporting über die Kommunikation zu erhalten. Ein Büroservice ist nicht nur an Feiertagen oder in der Urlaubszeit sinnvoll, auch das reguläre Kerngeschäft wird entlastet. Aktuelle Trends wie Chat- oder WhatsApp-Kommunikation lassen sich mit einem Dienstleister viel schneller umsetzen. Wer sich im Online-Business professionalisieren will, kann in diesem Bereich auf Unterstützung zurückgreifen.
Was geben Sie Online-Händlern für 2017 mit auf den Weg?
Den Online-Händlern wünsche ich viel Erfolg, den Mut und das Durchhaltevermögen eigene Ideen und Geschäftsvorhaben umzusetzen. Gleichzeitig aber die Entscheidungskraft, sich Unterstützung zu holen, wo sie benötigt wird.