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Local Commerce

Local Commerce: Rettung für den städtischen Handel?

Während der internationale Onlinehandel weiter wächst, ist die Lage bei seinem Pendant nicht so eindeutig: Der Local Commerce kann seine Vorteile – etwa größere Kundennähe und besondere Produkte – nur unter bestimmten Bedingungen optimal ausnutzen. Welche sind das und wo stehen Onlineprojekte des stationären Handels bislang?

Mit vereinten Kräften in den E-Commerce

Die Lage scheint verzwickt: Vom generellen Wachstum des Onlinehandels profitieren die meisten seiner Akteure. Was aber, wenn die Benachteiligten dieses Booms am Erfolg teilhaben wollen? Versuchen lokale und stationäre Händler aus den Innenstädten der Republik mit einem eigenen Onlineshop zu reüssieren, gelingt dieses Unterfangen nur selten. Häufig fehlt das technologische und organisatorische Know-how und oftmals auch die Zeit, um ein entsprechendes E-Commerce-Projekt ausreichend zu betreuen. Deshalb lag es nahe, dass in den vergangenen Jahren zunehmend das Modell des regionalen Marktplatzes auftauchte, zu dem sich mehrere Händler aus bestimmten Städten zusammengeschlossen haben. Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ und unter dem Label „Local Commerce“ wollten sie sich mit vereinten Kräften gegen die Übermacht großer Online-Marktplätze wie Amazon wehren.

So entstanden beispielsweise 2014 und 2015 vielbeschworene Pilotprojekte wie die „Online-City Wuppertal“ und „Mönchengladbach bei Ebay“. Sie sollten es kleinen, lokalen Einzelhändlern, die noch keine Erfahrung im E-Commerce mitbrachten, im Verbund ermöglichen, die Vorzüge des Omnichannel-Handels zu testen. Ein zusätzlicher Absatzkanal sollte die Umsätze steigern, durch Angebote wie Click-and-Collect für Auftrieb in den stationären Geschäften sorgen und Innenstädten neues Leben einhauchen. Erste Analysen zum Erfolg solcher Unternehmungen, die noch vor der Corona-Pandemie durchgeführt wurden, lieferten jedoch widersprüchliche Ergebnisse. Unter den negativen Einschätzungen aus der Fachwelt war meist die Kritik zu vernehmen, dass das Angebot der lokalen Marktplätze zu begrenzt und die Preise zu hoch seien.

 

Mehr Wertschätzung seit Corona

Durch die Pandemie änderte sich offenbar immerhin etwas an der Grundhaltung der Verbraucher gegenüber lokalen Handelsplattformen. Das Bewusstsein und die Wertschätzung für die Geschäfte um die Ecke, die vielfach um ihr Überleben kämpften, wuchs: Laut Corona Consumer Check des Instituts für Handelsforschung (IFH) zeigen sich rund zwei Drittel der befragten Konsumenten grundsätzlich bereit, lokale Händler zu unterstützen. Zugleich gaben aber nur gut 10 Prozent an, während der Pandemie etwas auf deren Marktplätzen gekauft zu haben. Offenbar sind diese Online-Angebote des lokalen Handels aus der Perspektive der Verbraucher entweder noch ausbaufähig oder schlicht zu unbekannt.

Blickt man auf die andere Seite, zeigt sich auch nach Corona ein gemischtes Bild zu den Marktplätzen des Local Commerce: Einige Anbieter von Plattformen für lokale Händler berichten von einem deutlichen Zuwachs bei Bestellungen, Umsätzen und Anfragen von Händlern während der Pandemie. Darunter finden sich etwa Marktplatz-Software-Anbieter wie Lozuka, Locamo oder Atalanda. Ob dieser Aufschwung jedoch auch nach dem Abklingen der Pandemie längerfristig anhält, wird von Fachleuten des E-Commerce zumeist bezweifelt. Der Knackpunkt: Die lokalen Händler müssten für eigene Marktplätze ein großes Marketing-Budget einplanen, damit diese die nötige Aufmerksamkeit der Konsumenten erhalten. Dieses Geld fehlt aber meistens. Es sind überwiegend größere Filialisten unter den stationären Shops, welche die Kraft haben, sich im Rahmen des Hybrid Commerce erfolgreicher und sichtbarer in der digitalen Welt zu verankern.

 

Große Player für kleine Einzelkämpfer

Eine Lösung für kleine Einzelhändler aus dem innerstädtischen Bereich ist es, ihre Produkte nicht über autarke Marktplätze anzubieten, sondern über etablierte, große digitale Vertreter. Hier können die betroffenen Einzelhändler nicht nur vom vorhandenen Know-how, sondern eben auch von der Bekanntheit und Reichweite des jeweiligen Anbieters profitieren. Bezogen auf die beiden prominenten Beispiele, wäre also das Mönchengladbacher Projekt, das sich auf dem Marktplatz „Deine Stadt“ von Ebay eingeklinkt hat, die gewinnbringendere Variante. Nichtsdestotrotz existiert auch die Online-City Wuppertal nach wie vor, die auf Atalanda als Anbieter eigens entwickelter Marktplätze setzt.

Hier jedoch waren die lokalen Händler nicht von Beginn an auf sich allein gestellt. Sie hatten die Wirtschaftsförderung der Stadt an ihrer Seite, die die Aufbauarbeit in den ersten Jahren unterstützte. Auch ein gewisses Durchhaltevermögen zahlte sich in Wuppertal offenbar aus, denn im Laufe der Jahre sind immer mehr Händler zum Online-Marktplatz der bergischen Stadt hinzugestoßen. Inzwischen nehmen rund 60 von ihnen an dem Projekt teil.

 

Grundlagen des Onlinehandels lernen

Doch was bedeutet es in dem einen wie im anderen Fall für lokale Händler konkret, sich mit Kollegen aus derselben Stadt auf einen Online-Marktplatz zu bewegen? Am Anfang stehen der grundsätzliche Kooperationswille und die Erkenntnis, im gleichen Boot zu sitzen. Solange sich einzelne innerstädtische Geschäfte nach altem Muster als Konkurrenz betrachten, kann ein gemeinsamer Marktplatz nicht funktionieren.

Die wohl größte Herausforderung für traditionell stationäre Einzelhändler, die bis dato nie im E-Commerce tätig waren, ist jedoch die Bereitstellung migrationsfähiger Produktdaten für den Online-Marktplatz. Ob dafür eigene Lernbereitschaft gefragt ist, um diesen Prozess selbst zu stemmen oder die jeweiligen Plattform-Anbieter aushelfen können, hängt von der Auswahl des Marktplatz-Modells ab.

In jedem Fall ist ein Umdenken hin zum Digitalen erforderlich, um die Erweiterung ins Online-Business zu stemmen. Darüber hinaus ist die Logistik ein zentraler Aspekt. Sofern Kunden nicht per Click-and-Collect kaufen, müssen lokale Händler erst einmal lernen, den Versand ihrer Ware vorzubereiten und mit Logistikdienstleistern zusammenzuarbeiten. Da die Lieferwege zur lokalen Kundschaft in der Regel nicht weit ausfallen, sind grundsätzlich schnellere Lieferzeiten als bei überregionalen Onlinehändlern möglich. Um diesen Vorteil auszuschöpfen, empfiehlt sich – je nach Warengröße und Versandaufkommen – eine Kooperation mit örtlichen Lieferdiensten, sofern diese vorhanden sind.

 

Auf Vertrauen und Qualität setzen

Neben der reduzierten Lieferzeit existieren noch weitere Vorzüge des Local Commerce, welche die Händler vor Ort auf jeden Fall herausstellen sollten:

  • Präsentation / Design: Während die Big Player des E-Commerce vielfach auf Masse und austauschbare Produktpräsentationen setzen, können lokale Händler ihre Besonderheiten betonen. Welchen Bezug zur Stadt oder Region haben die Produkte? Für welche positiven Eigenschaften ist die Heimat bekannt? Entlang dieser Leitfragen können die Seiten und Produktbilder individuell gestaltet werden – immer in Kombination mit dem passenden Ladendesign vor Ort.
  • Kundennähe / Vertrauen: Wohin gehen meine persönlichen Daten? Wie zuverlässig sind fremde Händler auf großen Online-Marktplätzen? Wen unterstütze ich direkt oder indirekt mit meinem Kauf? Bei solchen typischen Kundenfragen kann der Local Commerce damit punkten, dass die Konsumenten die Händler im Regelfall bereits aus diversen Innenstadtbesuchen persönlich kennen. Ein gewisses Grundvertrauen ist damit hergestellt und wird durch die Option für Kunden ergänzt, Probleme und Fragen zur Not auch direkt vor Ort klären zu können.
  • Produktqualität / Individualität: Wie schon beim Punkt Präsentation / Design angedeutet, geht es beim Local Commerce meist eher um Klasse statt Masse. Die Händler können erklären, wie ihre oft lokal erzeugten Produkte „Made in Germany“ hergestellt werden und dabei häufig auf andersartige Artikel als im Massenmarkt setzen. Zudem kann nebenbei der heute so wichtige Aspekt der Nachhaltigkeit bedient und betont werden. Schließlich entstehen durch die Verwendung regionaler Produkte und kurzer Lieferwege weniger CO2-Emmissionen.

 

Local SEO ausspielen

Ein besonderer Fokus sollte bei jedem lokalen Online-Markplatz nicht zuletzt auf der Suchmaschinenoptimierung liegen. Gerade für die eigenständigen Plattformen ist es unerlässlich, auf die Möglichkeiten der Local SEO zu setzen. Dies ist der spezialisierte Bereich der Search Engine Optimization, der Webseiten mit lokalem Bezug eine erhöhte Sichtbarkeit in den Suchmaschinen – allen voran Google – verschafft. Dabei ist es besonders hilfreich, wenn die einzelnen Händler oder die Marktplätze eine Seite bei Google My Business unterhalten. Aber auch typische SEO-Faktoren wie Online-Bewertungen, Verlinkungen und Erwähnungen auf anderen Seiten spielen eine Rolle. Zudem erhalten Händler ein besseres Ranking, wenn sich ihre Geschäfte möglichst nah am gesuchten Standort befinden. Hier haben folglich sehr zentral in den Innenstädten gelegene Shops eine besondere Chance, über lokale Suchmaschinenoptimierung den Local Commerce voranzutreiben.

 

Bild: freepik

 

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Hartwig Göttlicher
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