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Gamification: Zwischen Spielspaß und Erfolgsdruck

Spieltrieb und Wettbewerbsgeist – zwei Urinstinkte, die dem Menschen vom Kleinkind bis zum Seniorenalter erhalten bleiben. Unternehmen machen sich diese Instinkte unter dem Begriff „Gamification“ zur Mitarbeiter- und Kundenbindung zunutze.

 

Beim Spielen vergeht die Zeit wie im Flug

Die Fitness-App nervt schon wieder. In einer Push-Mitteilung wird der Nutzer freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass die tägliche Trainingseinheit fällig ist. Derlei Mitteilungen werden gerne ignoriert, denn es gibt ja genügend Ausreden gegen die Fitness-Session: zu müde, zu beschäftigt oder schlicht zu faul.

Was ist aber, wenn jedes Training mit spielerischen Elementen schmackhaft gemacht wird? Beispielsweise indem die App Auszeichnungen für neue Bestzeiten verteilt und den Wettbewerb mit Freunden fördert? Dann steigt die Motivation. Denn der Wettkampfgeist ist beim Menschen oft viel stärker ausgeprägt, als der Drang auf der Couch zu faulenzen (auch wenn es hier sicherlich Ausnahmen gibt).

Das Prinzip des Wettstreits nutzen Videospiele schon immer aus. Und nun auch Fitness-Apps. Im Angesicht der Herausforderung, die eigenen Freunde zu übertrumpfen zu können, fällt die Überwindung zur körperlichen Anstrengung weitaus leichter. Als positiver Nebeneffekt lässt sich der (hoffentlich) einstellende Erfolg sprichwörtlich spielend leicht dokumentieren.

Genau da setzt Gamification an: Schlicht anmutende, kleine Belohnungen und erreichte Punkte können wahre Wunder wirken. Vermeintlich eintönige oder lästige Alltagstätigkeiten werden spielerisch aufgewertet und erscheinen plötzlich nicht mehr so unliebsam. Die Nutzer werden dazu motiviert, immer mehr zu machen – und dies beim nächsten Mal selbstverständlich auch besser. Ganz nach der Devise „höher, schneller, weiter“.

Fitness Gamification / Quelle: freepik
Paradebeispiel für Gamification: Fitness-Apps und die Motivation durch Auszeichnungen.

 

Gamification ist bereits ein fester Bestandteil des Alltags

Das Beispiel mit der Fitness-App ist nur die Spitze des Eisbergs. Genauer betrachtet sind Gamification-Elemente weitaus präsenter und verbreiteter als man denkt. Es gibt viele Elemente und Methoden, die viele Nutzer gar nicht als Gamification identifizieren würden.

Zum Beispiel belohnt das Logistik-Unternehmen DHL regelmäßig aktive Kunden mit Bonuspunkten, die sich in Rabatte und Gutscheine umwandeln lassen. Versandhaus-Riese Amazon hat ein ähnliches System für Kunden, die mit der VISA-Card bezahlen im Angebot. Und eines der bekanntesten Beispiele ist PayBack. Das mittlerweile fast zwei Jahrzehnte alte Bonussystem ist in Deutschland nach wie vor beliebt.

Belohnungssysteme dienen vornehmlich einem Zweck: der Kundenbindung. Diese Idee ist nicht neu, clever portionierte Belohnungen zur Attraktivitätssteigerung einer Marke kennt man schon seit langer Zeit. Wieso erlebt dieses System seit ein paar Jahren unter der neudeutschen Bezeichnung Gamification ein Comeback?

 

Nicht nur Kunden sind wichtig – auch die Mitarbeiter

Eine mögliche Ursache für die Renaissance, die Gamification gerade durchlebt, könnte der Faktor Mitarbeiter sein. Durch die zunehmende Digitalisierung haben immer mehr Unternehmen verstanden, dass man Gamification in verschiedene Richtungen anwenden kann. Im Optimalfall ergibt sich so eine Win-Win-Situation für Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen.

Airbnb verteilt beispielsweise auf seiner Plattform Badges und Auszeichnungen an besonders erfolgreiche Vermieter. Wer oft ausgebucht ist und viele gute Bewertungen bekommt, wird zum „Superhost“ ernannt. Zudem können die Gastgeber auch ihre Gäste einzeln bewerten. Dieses System sorgt dafür, dass jeder Beteiligte darauf bedacht ist, gut miteinander umzugehen. Jeder steigert so ganz nebenbei auch das Ansehen der eigentlichen Marke Airbnb. Das klingt ein wenig idealistisch, funktioniert aber hervorragend.

Ungefähr genauso läuft es auch bei Uber ab. Das Fahrdienstvermittler legt dem Nutzer direkt bei der Fahrtbuchung in der App alle Errungenschaften des Fahrers dar. Dazu gehören unter andrem ein Querschnitt aller Bewertungen und die Anzahl der Fahrten. Nicht nur das: Die Uber-App macht den Nutzern auf Basis der vorhandenen Daten sogar Vorschläge, mit welchen Themen man mit seinem Fahrer respektive Fahrgast am besten ein Gespräch starten kann.

Beide hier genannten Varianten bilden so mithilfe von Gamification eine Art selbstregulierendes, digitales Ökosystem.

Uber App Screenshot / Quelle: Privat
Screenshot: Übersicht einer Fahrt und der Fahrerbewertung in Uber

 

Gamification als Treibstoff für eine gesunde Community

Ein gutes Beispiel, wie man die Motivation und vor allem die Kommunikation der Mitarbeiter mit Gamification stärken kann, liefert SAP. Im Jahr 2013 wurde das firmeneigene Portal „SAP Community Network“ mit Gamification-Elementen angereichert und dadurch neu erfunden. Das Resultat ist ein sehr aktives Netzwerk, in dem Mitarbeiter, Studenten oder auch Bewerber ihr Wissen austauschen können. Nutzer, die sich an Diskussionen beteiligen oder ihre Kenntnisse weitergeben, bekommen dafür Punkte. Je höher die Punktzahl, desto höher der Rang. Besserwisser und Punkte-versessene Dauer-Poster kommen bei diesem System jedoch nicht sehr weit, die Effektivität dieses Netzwerks liegt deshalb nahezu beim Maximum.

Mittlerweile hat sich diese Lernplattform zu einer festen Größe bei Recruitern und Headhuntern gemausert. Viele nutzen das Netzwerk zur Mitarbeiterakquise, denn ein hoher Rang im „SAP Community Network“ ist eine Garantie für ausgezeichnete Fachkenntnisse. An diesem Beispiel sollten sich viele Unternehmen etwas abschauen, denn eine starke Community ist häufig auch ein Garant für Erfolg.

 

Fazit

Wirtschaftlichkeit, Ansehen, Markenbekanntheit: All das sind Faktoren, die mit Gamification gesteigert werden können. Somit ist diese Herangehensweise viel mehr als nur ein simples Sammeln von Punkten, um lästige Alltagspflichten schöner zu verpacken. Richtig angewendet, kann Gamification zu einem wichtigen Kriterium beim Erfolg eines Unternehmens werden.

Also, einfach irgendwas mit Gamification machen und alle Probleme reiten auf einem Regenbogen davon? Natürlich nicht! Kritiker werfen Verfechtern dieser Methode beispielsweise Konditionierung vor. Wenn man etwas nur noch zum Zweck der Auszeichnung macht, ohne wirklich Interesse an der Tätigkeit selbst zu haben, geht der eigentliche Sinn verloren. Das Ziel von mehr Motivation und Spaß würde dem Weg dorthin im Wege stehen – und die Tür für mögliche Manipulationen der Nutzer steht weit offen. Auch, dass durch reine Bewertungssysteme wie zum Beispiel bei Uber ein nicht zu unterschätzender Erfolgsdruck beim User entstehen kann, bleibt ebenfalls außer Frage.

Bei der Nutzung von Gamification-Elementen ist es wie bei Medizin: die Dosierung macht‘s. Gut portioniert und bedacht eingesetzt, stellt Gamification eine Bereicherung der digitalen Welt dar. Und somit ist der aktuelle Hype auch nachvollziehbar.

 

Bilder: netz98, freepik

 

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Hartwig Göttlicher
Hartwig Göttlicher
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